Das Trio "Mostly Monk" in der Galerie artoxin

Als wäre es jetzt gewesen, als wäre es erneuter Ursprung

von Michael Wüst

Matthieu Bordenave (ts), Rudi Mahall (bscl), Geoff Goodman (guit). Foto: Michael Wüst

Am Freitag, 10. November 2023, trat in der Galerie artoxin, an der Kirchenstraße 23, bekannt für ihre außergewöhnlichen, oftmals avantgardistischen Konzerte, das Trio Mostly Monk mit Geoff Goodman (guitar), Rudi Mahall (bscl, cl) und Matthieu Bordenave (ts, cl) auf. Das Trio hatte schon kurz davor im Rahmen des 34. Jazzfests München in der Black Box der „FatCat“, dem Nachfolger des Gasteigs am Rosenheimer Berg, begeistert.

Das kompositorische Lebenswerk von Thelonious Monk mit 71 Titeln wirkt überschaubar, bietet aber aufgrund seiner formelhaften Verdichtungen eine Matrix, die nach wie vor das Zeug hat, zu weiterführenden avantgardistischen Entwicklungen bis an die Grenze des Tonalen zu ermutigen. Diesem Aufruf folgen die drei in der Galerie in kongenialer Weise. Weniger häufig gespielte Monk-Stücke werden nicht klassisch "straight" aufgefasst wie eines der bekanntesten Monk-Stücke, "Straight, no Chaser".

In vielen Stücken scheint sich Geoff Goodman an der Gitarre das Material erst einmal „anzuschauen“. Er blättert gewissermaßen konzertant, coram publico, durch, was zur Debatte steht, in den enggeführten Leitern der Monk´schen Welt, die sich schillernd drehen wie eine tonale Doppelhelix. Er blättert zurück, überspringt, kommt wohl oder übel ins Gehen, weil er sein Gleichgewicht verlassen hat und „humpelt“ dabei skurril anmutend, gauklerisch über rhythmische Bruchstellen.

Einzelne markante Schnipsel des Monk´schen Bebop werden herausgenommen und gewendet und auch mal an ungewöhnlicher Stelle wieder eingebaut, aber - als würde mit diesem musikalischen Screening der Moment der Synchronizität des zu erforschenden musikalischen Denkvorganges jetzt erfüllt - setzen die beiden Bläser an unerwarteter Stelle mit dem kompletten Thema urplötzlich ein: „Monk´s Dream“, anschaulich, plastisch, frisch und dynamisch, als wäre es erst gerade jetzt gewesen, dass dieser Titel vor fast 60 Jahren im November in New York im Studio der Columbia Records aufgenommen wurde.

Matthieu Bordenave (ts), Rudi Mahall (bscl), Geoff Goodman (guit). Foto: Michael Wüst

Das läuft bei „Mostly Monk“ aber nicht immer so. Die Herstellung der kreativen Krise ist auch mal Sache der beiden so unterschiedlichen Bläser. Bei „Introspection“ steht Geoff Goodman in einem chromatischen Loop sozusagen im eigenen Schatten und will sich nicht herausbewegen. Rudi Mahall und Matthieu Bordenave haben sich die Sticks der B-Klarinetten gegriffen und fallen über diesen Lähmungszustand her. Tierische Aufregung! Mit scharfen Schnäbeln picken sie herab und schimpfen wie die Seemöwen. Die Gitarre wird aus der Ecke geschubst, wieder springt das Thema in einer wunderbaren Reinheit auf.

Eine optimale Würdigung für Monk, den Querkopf mit der schwer zugänglichen Schönheit. In den erratischen Bewegungen Goodman´s um den thematischen Kern der Sache herum, gelingt immer wieder dieser magische Moment: Als wäre es ein erneuter Ursprung - urplötzlich und mit dem Gefühl einer großen Freiheit.

Dabei sind die beiden Bläser im Temperament und im Timbre außerordentlich verschieden. Matthieu Bordenave hat den sehr eleganten, charmanten Ton eines Lester Young oder Benny Golson. Gewagte Rückungen und Alterationen wirken bei ihm immer noch wie geschmackvolle Dekors, während Rudi Mahall wie ein kreativer Störenfried, wie ein musikalischer Puck, mit schnarrender, klappernder Baßklarinette in der Tradition eines Eric Dolphy für Krisen und Risse im Gefüge sorgt - Risse auch für den Moment eines Augenzwinkerns. Nicht nur bei Monk. Wer the most burlesque Version ever von Tea for Two erleben möchte, der ist hier richtig.

Großartig. Das Trio Mostly Monk führt in eine Moritat der musikalischen Denkschritte, der Freude des Gedankenspringens zu einem wiedererstehenden, verjüngten Thelonious Monk, leuchtend und bar jeder Formelhaftigkeit einer Jazz-Geschichtlichkeit.

Weitere Infos: www.artoxin.de und www.geoffgoodman.com

Veröffentlicht am: 14.11.2023

Über den Autor

Michael Wüst

Redakteur

Michael Wüst ist seit 2010 beim Kulturvollzug.

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