Karl Stankiewitz zum 200. Geburtstag von Adolf Friedrich von Schack

Münchens größter Mäzen war ein Preuß'

von Karl Stankiewitz

Adolf Friedrich von Schack im Porträt von Franz von Lenbach, 1875. Öl auf Lindenholz, 95x72,2 cm. Foto: Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Sammlung Schack München

Mit mehreren Führungen zur „Geistes- und Bilderwelt des 19. Jahrhunderts“ würdigt die Münchner Volkshochschule Anfang Juli den 200. Geburtstag eines Mannes, der zu den großen Mäzenen dieser Stadt gehört: Adolf Friedrich von Schack, geboren am 5. August 1815 in Schwerin, war ein hoch gebildeter, weit gereister, vermögender, einflussreicher Herr. Schon als Sechzehnjähriger veröffentlichte der Mecklenburger spanische Übersetzungen. In Berlin und Bonn studierte er außer Jura noch Arabisch, Sanskrit und Persisch. In diplomatischen Diensten bereiste er europäische Hauptstädte und den Orient. Mit Dichtern, Malern und Musikern stand er in engem Kontakt. Im Sommer 1854 lud ihn der bayerische König Max II. ein. Er verbrachte mehrere Wochen in dessen Sommerschloss in Berchtesgaden, dann gesellte er sich zu dem erlauchten Kreis von Gelehrten, mit dem sich der König umgab.

An seinem 41. Geburtstag, am 5. August 1856, kaufte Schack das sogenannte Pallacivinische Haus an der Brienner Straße 22 (heute Nr. 41). Es war ein „artiges Gebäude mit großen Spiegelscheiben, eben jenseits der Propyläen“, so der Lyriker Emanuel von Geibel, ebenfalls einer jener „Nordlichter“, wie zu zugezogenen Gelehrten geanannt wurden. Der „freigesinnte Aristokrat“ war einer der bevorzugten Gäste bei den königlichen Symposien. Und sein engster Berater in Sachen Bildende Kunst. Bald konnte er beginnen, einen alten Traum zu verwirklichen: das Sammeln von Kunstwerken. Dabei ging es ihm darum, „junge Kräfte zu entdecken oder auch solche zu beschäftigen, welche, der Gunst des großen Publikums entbehrend, brach lagen.“

Als Grundstock erwarb Schack sechs große Ölgemälde von Genelli, die alle gekrönten Häupter Deutschlands abgelehnt hatten. Dann kaufte er Bilder von Künstlern, die er schätzte und die man heute als Meister des Biedermeier, der Romantik und des Historismus kennt: Klenze, Spitzweg, Böcklin, Feuerbach, Morgenstern, Schleich, Führich, Bamberger. 33 Gemälde erwarb er allein vom Märchenmaler Moritz von Schwind. Vier alte Meister ließ er von Hans von Marée kopieren, siebzehn vom jungen Franz Lenbach, den er zu seinem „Kunstintendanten“ machte; als späterer „Malerfürst“ mit pompösem Palais schräg gegenüber, sagte Lenbach von seinem frühen Förderer, dieser habe keine Ahnung von Kunst, sei aber damals der einzige gewesen, der für die noch unentdeckten Künstler „den Beutel auftat“.

Für seine wachsende „Privat-Pinakothek“ ließ der Sammler im Garten seines Anwesens ein eigenes Galeriegebäude errichten, dann noch ein zweites. 1865 öffnete er sein Hausmuseum für das allgemeine Publikum. Bald musste er noch das Nachbarhaus Nr. 22, wo der Malerprofessor Karl von Piloty ein Atelier hatte, sowie das Grundstück Nr. 21 dazu kaufen, er brauchte nun auch Platz für eine Bibliothek und für Graphik.

Den Gesamtkomplex ließ er von dem erst 19 Jahre alten Architekten Lorenz Gedon im „nationalen Stil“ zu einem höchst verschachteltes Gebilde aus Sälen, Kabinetten, Arkaden, Übergängen, Türmen und Erkern umbauen. Die Kosten stiegen von 50.000 auf 78.500 Gulden. Leisten konnte sich das der Baron nur dank seines preußisch-sparsamen Lebensstils und einer Erbschaft. Als eine der „bemerkenswertesten Zierden Münchens“, wie die Stadtchronik vermeldet, wurde die „Schackothek“ im Sommer 1874 eröffnet. Die aus mehreren Wohnhäusern hervorgegangene Kunstgalerie galt als erstes Münchner Privathaus in „deutscher Neu-Renaissance“. Aus ganz Deutschland und aus Wien kamen interessierte Baumeister in die äußere Brienner Straße, um Gedons komplizierten, imperialen Stil zu studieren oder auch zu übernehmen.

Vielleicht aus alter Loyalität - oder aber „um sich an Bayern für erlittene Kränkungen zu rächen“, wie der Historiker Reinhard Bauer meint - vermachte der ehemalige Legationssekretär aus Schwerin seine Schätze im Juni 1876 testamentarisch dem preußischen Staat, der ihm daraufhin die erbliche Grafenwürde verlieh. Um ihn umzustimmen, ernannte ihn die Wahlheimatstadt München daraufhin zum Ehrenbürger. Der von der Presse hochgespielte „Skandal“ endete mit einem Kompromiss: Nach dem Tod des Mäzens am 14. April 1894 in Italien, bestimmte Kaiser Wilhelm II., dass die geerbte Sammlung in München verbleiben solle, allerdings im Besitz des Königreichs Preußens, das dafür neben seiner Gesandtschaft an der Prinzregentenstraße 7 ein neues Gebäude errichten ließ.

Fanfaren, Girlanden, Jubelrufe, Chöre, der gesamte Magistrat und 200 vom Prinzregent geladene Ehrengäste empfingen in der weiträumig abgesperrten Prinzregentenstraße am 18. September 1909 den deutschen Herrscher, der sich in einer ungewohnten Rolle sah, wie die „Münchner Neuesten Nachrichten“ dem Volk kundtaten: „Als Kunstfreund und Mäcen ist der Kaiser bei uns erschienen, nachdem er erst als oberster Kriegsherr, umgeben vom Glanz seines militärischen Gefolges, die friedlichen Schlachtfelder im Frankenland verlassen.“

Wilhelm II. kam nach besagtem Manöver frühmorgens mit der Bahn in München an. Punkt 14 Uhr eröffnete er an der Prinzregentenstraße 9 einen Anbau seiner Gesandtschaft, der die Gemäldesammlung seines preußischen Untertans Adolf Friedrich von Schack aufnehmen sollte. Bei der feierlichen Einweihung fand „Willem Zwo“ wohlgesetzte Worte: „Ich weiß mich eins mit der vaterländischen Gesinnung des Münchner Bürgertums, auf welches ganz Deutschland, von der Meeresküste bis zu den bayerischen Bergen, ein Recht hat, stolz zu sein.“

Die Bauausführung oblag dem aus Sachsen stammenden Max Littmann, der als Architekturprofessor in München schon so bemerkenswerte Bauwerke wie das Schauspielhaus, das Prinzregententheater und das Hofbräuhaus geschaffen hatte. Nach dem Festakt wünschten Maiestät keine weitere Kunst, sondern einen Besuch des Karl Müller’schen Volksbades, natürlich im Trockenen.

Seither prangt an der von vornherein so getauften „Schack-Galerie“ im Giebelfeld über massigen Säulen der preußische Adler sowie die Inschrift: „Kaiser Wilhelm II. der Stadt Muenchen zur Mehrung ihres Ruhmes und grossen Kuenstlern zum Gedaechtnis.“ Die großen Künstler – 186 Gemälde von der Romantik bis zum Historismus, dazu 70 Kopien nach Alten Meistern – fanden aber auch in dem schmalen Bau an der Prinzregentenstraße 9 immer nur unzureichend Platz. In den 20er Jahren ließ die Preußische Schlösserverwaltung einen Großteil der Kopien ins Depot bringen. Die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, seit 1939 im Besitz dieses Museums, mussten abermals arg selektieren – ein nahezu ausgelagertes Museum.

Der neoklassizistische Hauptbau nebenan an der Prinzregentenstraße, ein Werk Gabriel von Seidls, hätte sich als Ausweichquartier für die überquellende Sammlung angeboten. Hier aber, in der erst in den 30er Jahren aufgelösten Preußischen Gesandtschaft, etablierte sich in der NS-Zeit der Reichsstatthalter Ritter von Epp und nach dem Zweiten Weltkrieg die Bayerische Staatskanzlei, die zusätzlich sogar noch den größten Saal der Schack-Galerie nutzte, jeden Dienstag für die Ministerratssitzung. Über 300 Beamte arbeiteten in dem verwinkelten Bau, meist in kleinen, muffigen Stuben – bis unter dem Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß am Hofgarten die neue Staatskanzlei mit 293 Büros entstand.

Nach einer gründlichen Renovierung wurde der Saal in der ersten Etage, von dem aus einst der Freistaat jahrzehntelang regiert worden war, für die Altmeisterkopien Lenbachs, für Vorträge und andere Veranstaltungen hergerichtet. Informationen, Erläuterungen und Zitate romantischer Dichter an farbiger Wand machen die „enge Verbindung zwischen Kunst und Literatur, die für diese einzigartige Sammlung so charakteristisch ist, nachvollziehbar“. Und überhaupt – so der Konservator Herbert W. Rott von den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen - solle verdeutlicht werden, dass Besucher aus aller Welt in diesem Haus genau das finden, was viele in Deutschland suchen: die Bildwelten der Romantik und des Biedermeier, die Erfüllung der Sehnsüchte nach dem Beseelten, dem Geistigen in Natur und Kunst.

Veröffentlicht am: 19.08.2015

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