Ballett im Theater Augsburg mit "Romeo und Julia" von Sergei Prokofjew

Lakonisch von der Schwärmerei zur verzweifelten Liebe

von Volker Boser

Jane Sartore, Ana Dordevic. Foto: Nik Schölzel

Man hat ihm Zeit gelassen, und er hat sie genutzt. Seit 2007 ist der Amerikaner Robert Conn Ballettchef am Theater Augsburg. Sieben Jahre nach seinem Amtsantritt kann der ehemalige Tänzer im Stuttgarter Ballett die Früchte seiner hartnäckigen Arbeit ernten. Vor allem die Ensembleszenen in Young Soon Hues Choreographie von Prokofjews „Romeo und Julia“ zeigen perfekt abgestimmtes Teamwork, das auch in weitaus berühmteren Compagnien nicht selbstverständlich ist. Aber diese Präzision hat ihren Preis.

Zwar schwärmt Conn überschwänglich, dass seine Truppe „mittlerweile alles tanzen“ könne. Aber Young Soon Hue schien sich nicht recht zu trauen: Ihre „Romeo und  Julia“ – Version bietet kaum Neues. Und bei allem Engagement fehlte in den Schlüsselszenen, zumindest in der Premiere, den Hauptakteuren jene Ausstrahlung, die sich auch gegenüber tradierten Schrittfolgen zu behaupten weiß.

Verona ist überall. Dass die rivalisierenden Jugendbanden der Capulets und Montagues beim Billard aufeinanderprallen, hat den Vorteil, dass man mit einem Queue wie mit einem Florett herumfuchteln kann, sich Kampfszenen also mühelos arrangieren lassen. Erinnerungen an Bernsteins „West Side Story“ sind gestattet. In einer Umgebung, geprägt durch Sex, Gewalt, Eifersucht und Rache, haben es echte Gefühle schwer. Die südkoreanische Choreographin fügt sich: Die Ausdrucksnuancen ihrer Hauptakteure fallen kaum aus dem üblichen Rahmen. Dem stämmigen André Silva (Romeo) fehlt bei aller Virtuosität körperliche Präsenz. Bei Ana Dordevic (Julia) wechseln rührende Momente mit allseits bekannten Jungmädchen-Posen.

Zwischentöne? Wenigstens in Ansätzen sollte für den Zuschauer nachvollziehbar sein, wie sich eine jugendlich-naive Schwärmerei in verzweifelte Liebe wandelt, wie die beiden innerhalb kurzer Zeit erwachsen werden. Allenfalls Romeo ließ ein wenig davon erahnen.

In den Gruppenszenen setzt indessen die Choreographie ein ums andere Mal bemerkenswerte Akzente. Etwa, wenn der lebensbejahende Übermut des Mercutio (hervorragend: Theopilus Jeremias Veselý) sich in unnachahmlich energischem Tempo austobt, während sein Gegenspieler Tybalt (Riccardo De Nigris) zynisch ruhig bleibt und alles an sich abprallen lässt.

Die Musik ist bei den tüchtigen Augsburger Philharmonikern unter Carolin Nordmeyer gut aufgehoben: Keine unnötig raffinierte Effekthascherei, stattdessen jene lakonisch kühle Gangart, die auch auf der Bühne herrscht.

In den weiteren Vorstellungen ist geplant, mehrere Besetzungen der Hauptrollen anzubieten. Die bisweilen zwiespältigen Eindrücke der heftig bejubelten Premiere sind also womöglich nicht endgültig. Sie sollten niemanden abhalten. Es gibt genügend Momente, die den Besuch lohnen.

Weitere Vorstellungen am Theater Augsburg: 2., 6., 19., 23. und 28.12.2014

Veröffentlicht am: 02.12.2014

Über den Autor

Volker Boser

Volker Boser ist seit 2010 Mitarbeiter des Kulturvollzug.

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