Wie eine schale Maß – Der Oktoberfest-Krimi Schwarze Wiesn

von Florian Haamann

Im Schottenhamel hämmert der Oberbürgermeister den Zapfhahn mit zwei Schlägen ins erste Fass und eröffnet damit das Tollhaus Oktoberfest. Zeitgleich stößt ein Unbekannter sein Messer unzählige Male in Ridvan Berishas Körper und macht damit aus dessen Wohnung ein Schlachthaus.

Pikant ist der Fall für Hauptkommissar Georg Klostermeier deshalb, weil der Tote die letzten Stunden seines Lebens auf der Theresienwiese verbracht hat. Statt auf den Mord, konzentriert sich der Hauptkommissar anfangs aber lieber auf seine junge Kollegin Jule Holtkamp (natürlich ein Nordlicht, das mit den Bayern noch nicht allzuviel anfangen kann).

Die Ermittlungen kommen erst ins Rollen, als ein Mann mit sauber durchtrennter Kehle mitten am Tag in einem Geisterbahnwagen erscheint...

„Schwarze Wiesn„ ist der Debütroman der Autoren Brandl & Keller. Das Werk der beiden enttäuscht allerdings auf ganzer Linie.

Auf den knapp 180 Seiten vernachlässigen sie oft ihren Plot, verlieren sich dafür in vielen unbedeutenden Einschüben und ausladenden Beschreibungen. Nur einmal gelingt ihnen eine fesselnde Passage, und zwar direkt im Prolog; zusammen mit dem Mörder flüchtet der Leser vor dessen Verfolger. „Er schloss die Augen. Schweiß schoss ihm aus allen Poren, sein Puls raste. Er hatte getötet. Der Mann, der ihm gefolgt war, wusste es. Bald würden es auch seine Freunde wissen. Und dann alle. Bald würden es alle wissen.“

Befremdlich ist, dass der Prolog nach zwei Dritteln des Buches noch einmal fast in voller Länge auftaucht. Warum er doppelt verarbeitet wurde ist völlig unklar, es wirkt als ob er bei der Korrektur schlicht vergessen wurde. Überhaupt stößt man immer wieder auf Stellen, an denen man das Gefühl bekommt, das Manuskript wäre vor dem Druck nur halbherzig überarbeitet worden. Hauptsache es kann rechtzeitig zur Wiesn erscheinen. „Unzählige Menschen in Tracht warteten bereits auf die Tram, der größte Teil von ihnen in Tracht.“

Die beiden studierten Germanisten versuchen ihren Text bildgewaltig zu gestalten, schießen aber eins ums andere Mal mit völlig schrägen Metaphern über das Ziel hinaus: „Als die Trambahn endlich am Stachus ankam und die Türen geöffnet wurden, quollen Klostermeier und die anderen Fahrgäste aus ihr hervor, wie Lava aus einem Vulkan.“

Andere, eigentlich angemessene Bilder werden durch völlig unnötige Halb- oder Nachsätze an ihrer Entfaltung gehindert. „Klostermeier fühlte sich, als würde er in einem Hochofen sitzen. Sein Gesicht hatte mittlerweile die Farbe einer Tomate angenommen, sein Hemd war unter den Achseln und am Rücken durchnässt – ihm war unendlich heiß.“

Die sprachlichen Patzer, die langatmigen Ausschweifungen und die vielen Klischees machen „Schwarze Wiesn“ nicht - wie auf dem Buchrücken angekündigt - zur „fieberhaften Recherche“, sondern zum öden Geplänkel.

Für Krimifans ist das Buch nicht zu empfehlen, am ehesten dürfte es diejenigen interessieren, die sich so maßlos auf die Jubiläumswiesn freuen, dass sie unbedingt ein literarisches Vorspiel brauchen.

Schwarze Wiesn (176 Seiten) von Brandl & Keller ist im Alitera Verlag erschienen und kostet 12,90€.

Veröffentlicht am: 01.09.2010

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Moritz Kienast
01.09.2010 13:58 Uhr

Wer sich zu denjenigen zählt, der sich so derartig auf die Jubiläumswiesn freut, das er dieses Buch lesen will, der sollte sich unbedingt mal die Ergüsse der Münchner Comicszene zu gemüte führen. Die "Comicazen" haben es vollbracht: Der Wiesn Comic Band "Wiesn-G'schichten", erhältlich im gut sortierten Buchhandel. Am Dienstag, den 14. September gibt's eine Signierstunde im Hugendubel.